Kommentar |
Schenkt man herkömmlichen Kulturmodellen glauben, so handelt es sich bei Kulturen um nach außen abgeschlossene und intern homogene Systeme mit verbindlichen Standards für das Denken, Fühlen und Handeln ihrer Angehörigen. Auch wenn solche Vorstellungen von Kultur analytisch von Theorien etwa der Hybridität oder Transkulturalität längst desavouieren wurden, erweisen sie sich im Common Sense als äußerst persistent, wie politisch und medial befeuerte Debatten um Leitkultur oder Kulturdifferenzen regelmäßig beweisen. Auch in den Handlungsfeldern der sozialen Arbeit stellt sich fortlaufend die Frage, was es mit Kultur eigentlich auf sich hat und was unter Kultur zu verstehen ist. Die Lehrveranstaltung zielt darauf, ein theoretisch informiertes und für den alltäglichen Umgang mit Kultur hilfreiches Verständnis von Kultur zu entwickeln. Als didaktisches Konzept wählt sie die Einzelfallanalyse, anhand derer die Stichhaltigkeit konkurrierender Theoriemodelle überprüft werden und die Vielschichtigkeit kultureller Praxis rekonstruiert werden soll. Ausgangsmaterial bietet die im vergangenen Jahr erschienene CD Songs for the Jewish-American Jet Set, die 20 Titel umfasst, die zwischen 1950 und 1973 von Tikva Records, einer unabhängigen New Yorker Plattenfirma, veröffentlicht worden waren. Die Beiträge stammen u.a. von Leo Fuld, Marty Levitt, dem Yemenite Trio und Jo Amar und tragen Titel wie Yiddish Twist, Eingmachts oder Balkan Rhapsody. Die Einzelaufnahmen wie die CD als solche sind insofern „unmöglich", als dass sie keinen Standards kultureller Reinheit oder Konsistenz folgen. Im Seminar wird analysiert, wie sie trotzdem - oder gerade deshalb - möglich wurden. Zu diesem Zweck werden ausgewählte Lieder musiksoziologisch und hermeneutisch analysiert und die Kontexte der künstlerischen Produktion - die Biographien von Künstlerinnen und Künstler, die politischen, ökonomischen und sozialen Bedingungen populärkultureller Produktion und Konsums, die Lage der jüdischen Diaspora in den USA etc. - hinzugezogen. Die Analysen werden von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern vertextet und gemeinsam eine Broschüre erstellt. Diese Lehrveranstaltung findet in Kooperation mit dem Institut für Transnationale und Transkulturelle Soziale Arbeit (http://www.itts-berlin.de/) statt. |