Kultur-Ästhetik-Medien Montag 10:00 bis 13:00, AudiMax, Prof. U. Hemberger
11.04. / 09.05. / 06.06. / 13.06. / 20.06. / 27.06. / 04.07.
KULTurVORLESUNG Sommersemester 2016
Das Persönliche und das Politische
Eine Dokumentarfilmreihe
„Das Private ist politisch“, so stand es in den 60er und 70erJahren an den Häuserwänden westeuropäischer Städte. - 2015 antworteten in einem ASH-Seminar zum globalen Lernen 90% der Studierenden auf die Frage „Wo fühlst du dich am sichersten?“: „Bei mir zu Hause“, „in meinem Bett“ u.ä..
Die Abwesenheit oder der Verlust der persönlichen, geschützten Lebensumwelt bleibt auch im 21. Jahrhundert eine Erfahrung, mit der sich ein großer Teil der Menschheit konfrontiert sieht. Immer weiter und immer mehr Menschen werden aus ihren Lebenszusammenhängen vertrieben. Und viele, die sich vor Ausbeutung, Hunger, Kriegen und Umweltzerstörung in eine mehr oder wenig besser geschützte Gegend retten konnten, werden von den Machthabenden der Verursachernationen von neuem vertrieben.
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte sich eine vielgestaltige Strömung des sozialpolitisch engagierten Dokumentarfilms. Filmemacher_innen aus dem reichen Norden versuchten und versuchen, ihre weiße, Mittelschichtsorientierte Herkunftsperspektive umzukehren: Sie interessierten sich für die Stärken der Marginalisierten. Sie fragen nach der Kunst zu überleben und zeigen Würde, Solidarität und Widerstand. („Bleiben will ich wo ich nie gewesen bin“ von Hilde v. Balluseck, Ulrike Hemberger, Rainer Hällfritzsch und „Fast ein halbes Leben“ von Rainer Hällfritzsch und Petra Sattler) Gleichzeitig beschäftigen sich viele dieser Filme auch mit Fragen des Zweifelns, der Repression, des Verrates und des Verschweigens. Generationen-Erfahrungen werden aktiviert um Geschichte, Soziale Prozesse und individuelle Freiheit in ihren Zusammenhängen zu verstehen („Leonie Ossowsk“ von Lih Janowitz, „Tsakalos Blues“ von Yara Haskiel).
Nun, angesichts weltweit wieder erstarkender Sozialer Bewegungen und mit erleichtertem Zugang zu Filmtechnik, werden zunehmend Filme durch die Akteur_innen des globalen Südens selbst produziert und gedreht (N.N.). Auf der diesjährigen Berlinale liefen mehrere Filme, die in Nord-Süd-Autorenschaft entstanden sind und diese Zusammenarbeit reflektieren. („And-Ek Geh“ von Philip Scheffner und Colorado Velcu)
In vielen dieser Filme werden Dilemmata und auch Momente des Scheiterns bearbeitet. („Brown Bread“ von Sarah Gros) Nicht, dass es einfache Lösungen gäbe. Aber durch die Auseinandersetzung mit persönlich getroffenen Entscheidungen oder Nicht-Entscheidungen werden Möglichkeiten für eigenes Handeln und mutiges Aufbegehren konkret. Wissen, Reflexion, Austausch und Kreativität bieten Ausgangspunkte um zu verstehen und sich selbst positionieren zu können. Filmemacher_innen filmen hier als Zeugen, Beobachter und Analysierende, und sie wollen sich und anderen Mut machen, sich miteinander zu verbinden.
In künstlerischen Prozessen - und deren Verbreitung über Musik, Theater, Literatur, visuelle Kunst und über medialisierte Netzwerke - können sich Menschen mit ihren unterschiedlichen Perspektiven über Sprachgrenzen hinweg und in transkulturell entstehenden Neugestaltungen begegnen. („Austausch sprengt Grenzen“ von Johanna Kaiser und „Was wir voneinander Lernen können“ von Ulrike Hemberger) Durch künstlerische Interventionen wie auch in filmischen Verarbeitungen widerständiger oder revolutionärer Prozesse können sich Soziale Bewegungen und individuelle Haltungen ausdrücken um auch auf politischer Ebene wirksame Kommunikationsräume zu schaffen.
Stand 28.03.2016 - Filme und Gäste sind angefragt |