Eine Vielfalt von Problemlagen wird im Zusammenhang mit der urbanen Entwicklung in den letzten Jahren diskutiert. Die Bezeichnung „Gentrifizierung" beschreibt soziale Desintegrationsprozesse, die in einer Dominanz einkommensstarker Haushalte in attraktiven urbanen Wohnlagen zu Lasten von weniger verdienenden Bevölkerungsgruppen bestehen. Diese Prozesse werden häufig durch ethisch-kulturelle Konflikte begleitet. Im Fokus der Debatte stehen meist die attraktiven Innenstadtlagen. Weniger Beachtung in diesem Diskurs finden die Stadtrandbezirke, die häufig das Ziel von Migrationsbewegungen von Verliererinnen und Verlierern der Gentrifizierung im Zentrum sind. Die Randlagen werden attraktiv für Familien mit Kindern, die durch vergleichsweise günstigen Wohnraum angezogen werden. Solche Randbezirke sind aufgrund vielfacher sozialer Problemlagen vielfach bereits jetzt Gegenstand von Projekten zum Quartiersmanagement. Durch die neue Zuwanderung ist eher eine Zunahme der Problemlagen (hinsichtlich Wohnraumversorgung, Arbeitsmarkt und Integration) zu erwarten. Die Praxisforschungswerkstatt wird die eingangs skizzierten Prozesse aus der Sicht der Sozialen Arbeit und Kindheitspädagogik erforschen und daraus Handlungsoptionen entwickeln. Zunächst erfolgt eine theoretische Einordnung des Geschehens. Hierbei stehen folgende Dimensionen im Fokus: - Gentrifizierung - Sozialraum - Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit Die Studierenden bekommen Einblick in das Projekt „Stärkung zivilgesellschaftlicher Ressourcen in Marzahn-Hellersdorf als Beitrag zur sozialräumlichen Demokratieentwicklung, das seit 1. November 2013 mit einer Laufzeit von zunächst 13 Monaten durch Brodowski/Stapf-Finé durchgeführt wird und können aktiv mitwirken. Dies ist aber kein „Muss", es können auch eigenständige Forschungsprojekte in dem weiten Themenrahmen bearbeitet werden. Aus der Analyse der vorhandenen Problemlagen und Ressourcen im Bezirk ergeben sich insbesondere folgende Forschungsfragen: 1. Welche Entwicklungen im Hinblick auf die Sozialstruktur sind zu erwarten und was kann der Bezirk unternehmen, um frühzeitig (gegen)zusteuern? 2. Welche Chancen und Risiken liegen in den Wanderungsgewinnen der jüngsten Zeit? Wie können neu Zugewanderte eingebunden werden in eine herkunftsheterogene Identitätsstiftung? 3. Welche Milieus sind im Bezirk vorhanden und welche Rolle können diese im Rahmen der sozialräumlichen Entwicklung im Bezirk spielen? 4. Wie können diese Milieus noch stärker aktiviert werden und welche Rahmenbedingungen benötigen sie dafür? 5. Wo geschieht im Bezirk Marzahn-Hellersdorf demokratische Partizipation und wie viele Menschen mit Migrationshintergrund sind beteiligt? 6. Lassen sich „Inseln" im Bezirk identifizieren, in denen Partizipation besonders stark ausgeprägt ist? Wie kann hierauf aufbauend zivilgesellschaftliches und demokratisches Engagement ausgebaut werden? 7. Was sind die Gelingensfaktoren in diesen „Inseln" bspw. auf struktureller, (sozial)räumlicher und kultureller Ebene? 8. Welche Partizipationsmöglichkeiten müssen wie für eine sozialräumliche Entwicklung im Bezirk, entlang der Erfahrungen aus der Analyse der „Inseln", gestärkt werden? 9. Welche Ressourcen und Kompetenzen sind vorhanden und wo bestehen noch Defizite? Sodann erfolgt im Rahmen der Praxisforschungswerkstatt die Erarbeitung von potentiellen Projekten der sozialarbeiterischen „Intervention" und deren Begleitung auch in frühpädagogischen Einrichtungen. - Sozialraumanalyse (Analyse der Sozialstruktur): Auswertung von Datenquellen zur Demografie und sozialen Lage der Bevölkerung nach Stadtteilen und Planungsregionen. Hierzu werden verwendet: Ergebnisse von Einschulungsuntersuchungen, Stadtteilportraits, Daten aus der Sozialberichterstattung und der sozialen Stadtentwicklung. Diese bilden die Grundlage zur Analyse von Entwicklungen der Sozialstruktur und der Chancen und Risiken, die in den Wanderungsgewinnen stecken. Zudem sind sie der Ausgangspunkt für die Identifizierung lokaler sozialer Milieus.
- Betrachtung von gesellschaftlichen Potentialen und Ressourcen:
- Indentifizierung von „Inseln" mit Entwicklungspotential (Gespräche mit lokalen Akteuren, Internetrecherche, Auswertung von Presseberichterstattung). Untersuchung von förderlichen Bedingungen auf struktureller, räumlicher und kultureller sowie partizipativer Ebene (Struktur- und Netzwerkanalyse
- Leitfadengestützte Experteninterviews mit kommunalen gesellschaftlichen Akteuren zu den vorhandenen Ressourcen. Besonders in den Blick genommen werden die Beteiligungsmöglichkeiten auf zivilgesellschaftlicher und kommunalpolitischer Ebene.
- Befragung (vorzugsweise Migrantinnen und Migranten aber auch andere Bevölkerungsgruppen) hinsichtlich der Formen von wahrgenommenen Diskriminierungen bzw. Beteiligung an demokratischen Strukturen (differenziert nach Formen der Diskriminierung).
- Untersuchung der Rahmenbedingungen zur Umsetzung des bezirklichen Integrationsprogramms (Handlungsfeld 7: Integration durch Partizipation und Stärkung der Zivilgesellschaft) und des Masterplans „Arbeit und Ausbildung für alle Jugendlichen" mit dem Fokus auf die sozialräumlichen und auch strukturellen Potenziale für das Gelingen.
- Methoden sozialräumlicher Projektarbeit
Ausgehend von den Untersuchungsergebnissen zu: - vorhandenen sozialen Milieus bzw. „Inseln", - den Ressourcen, insbesondere im Hinblick auf die Beteiligung und - den von den Akteuren identifizierten Veränderungsnotwendigkeiten wird ein Handlungskonzept zur Demokratieentwicklung ausgearbeitet, das die Grundlage für Diskussionen über die weitere Demokratieentwicklung im Bezirk bildet. Weiterhin können die Konzepte „Bildungscampus" sowie „Lernen vor Ort" geprüft und auf ihre Anwendbarkeit hin untersucht werden. Um diese und andere Fragen wird es in der Forschungswerkstatt gehen, in der alle ihre kreativen und eigenen Ideen einbringen dürfen. Am Ende des 3. Semesters soll eine Publikation (Herausgeberband) stehen, in der die Studierende ihre Ergebnisse in einem Artikel zusammenfassen und publizieren können. Wir freuen uns auf viele und spannende Diskurse und auf Menschen, die Spaß haben, sich in diesem Feld auszuprobieren. |