Als Strukturprinzipien gesellschaftlicher Wirklichkeit durchdringen der Rassediskurs und der Geschlechterdiskurs auch institutionelle Bildungseinrichtungen, die u. a. als ‚Re_Produktionsstätten offizieller Wissensbestände’ wiederum auf diese Diskurse rückwirken (doing race, doing gender). Diese Verknüpfung von Bildung, Geschlecht und „Rasse“ ist Forschungsobjekt des Seminars, das sich der US-amerikanischen Critical Pedagogy widmet.
Der Schwerpunkt liegt auf pädagogischen Ansätzen aus den Critical Race Studies und den Critical Whiteness Studies sowie auf feministisch-rassekritischen Positionen. Die erkenntnisleitende Fragestellung lautet: Welche Bedeutung kommt Bildung im Rasse- und Geschlechterdiskurs bzw. Rassismus und Heteronormativität in pädagogischen Settings und Bildungsprozessen zu. Für einen internationalen Vergleich werden auch deutschsprachige Beiträge aufgegriffen.
Literatur zur Lehrveranstaltung (Auswahl)
Freire, Paulo (1971): Pädagogik der Unterdrückten. Stuttgart: Kreuz. hooks, bell (1994): Teaching to Transgress. Education as the Practice to Freedom. New York: Routledge.
Ladson-Billings, Gloria und William F. Tate (1995): „Toward a Critical Race Theory of Education.“ Teachers College Record 97.1, 47-78.
Kincheloe, Joe L. und Shirley R. Steinberg (1998): „Addressing the Crisis of Whiteness. Reconfiguring White Identity in a Pedagogy of Whiteness.“ In: Kincheloe, Joe L. [u. a.] (Hrsg.): White Reign. Deploying Whiteness in America. Houndmills: Macmillan, 3-29.
Theoretische und methodische Einbettung der Lehrveranstaltung
Die Lehrveranstaltung greift Theorien und Methoden aus dem Bereich der Critical Pedagogy, die sich in den Critical Race Studies und Critical Whiteness Studies verorten, sowie aus der Kritischen Weißseinsforschung und Migrationspädagogik auf. Sie ist kritisch-dekonstruktiv und diskurstheoretisch ausgerichtet und verbindet Elemente der Geschlechterforschung und der Rassismuskritik.
Weil die US-amerikanische Diskussion um Critical Pedagogy maßgeblich von den Überlegungen Paulo Freires beeinflusst wurde und wird, soll mit Blick auf Freires Ansatz in die Thematik des Seminars eingestiegen werden. In der darauf folgenden Annäherung an die US-amerikanische Critical Pedagogy sollen feministische und rassekritische Positionen im Mittelpunkt stehen. Im Zentrum des Erkenntnisinteresses liegen zum einen die Rassifizierung und Vergeschlechtlichung der Organisationsstrukturen von Bildungsinstitutionen und zum anderen die Bedeutung von „Rasse“ und Geschlecht als ‚Lerngegenstände’. Sowohl Lehr- als auch Lernprozesse stehen im Fokus. Die verschiedenen Theorieansätze werden als unabgeschlossene Konzepte thematisiert. Ihre Verbindungslinien, Möglichkeiten und Grenzen werden herausgearbeitet. Dabei wird der US-amerikanische gesellschaftliche Kontext kennengelernt (Kontextsensibilität).
Die US-amerikanische Diskussion um Critical Pedagogy leistet zu der Analyse der diskursiven Verknüpfung von Bildung, „Rasse“ und Geschlecht schon lange wichtige Beiträge. Auch in der bundesrepublikanischen Diskussion nehmen aktuell die Publikationen zum Thema zu. In einem internationalen Vergleich im letzten Block des Seminars werden exemplarisch Ansätze aus letzterem Bereich aufgegriffen. Gemeinsamkeiten und Unterschiede sollen herausgearbeitet werden. Dieser Vergleich soll dafür sensibilisieren, dass der Rassediskurs und der Geschlechterdiskurs transnationale Phänomene sind, die sich – u. a. im Bildungsbereich – regional unterschiedlich artikulieren.
US-amerikanische pädagogische Überlegungen und Ansätze können nicht einfach auf den deutschen Kontext übertragen werden. Wenn dies berücksichtigt wird, sind die englischsprachigen Auseinandersetzungen als wichtige Impulsgeber auch für die deutschsprachige wissenschaftliche Diskussion zu verstehen. Das Seminar soll diesem Umstand, der auch die vorliegende Bewerbung um diesen Lehrauftrag begründet, Rechnung tragen und der auch in Deutschland aktuell nachdrücklich formulierten Forderung der wissenschaftlichen Anerkennung der Einbettung von Bildung in den miteinander verwobenen Rassediskurs und Geschlechterdiskurs nachkommen.
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