Kommentar |
Die Ethik der „Achtsamkeit“ ist gegenwärtig in aller Munde. Auch das neue Rektorat der ASH hat das Thema als zukünftige ethische Grundorientierung unseres gemeinsamen Hochschullebens auf die Tagesordnung gesetzt. Umso misslicher ist es, dass entsprechende Forderungen nach mehr Achtsamkeit heute nicht selten zu einer Art Wellness-Ideologie zu verkommen drohen. In dem Projektseminar geht es darum, die Idee und Lehre der Achtsamkeit genauer und intensiv kennenzulernen, und zwar sowohl aus theoretischer und interdisziplinärer wie auch aus praktischer und beruflich anwendungsbezogener Perspektive.
Da die zeitgenössische Ethik der Achtsamkeit keineswegs in einem „luftleeren“ Raum propagiert wird, sondern in konkreten gesellschaftlichen Verhältnissen unserer Zeit, die durch Leistungsideologien, vielfältige Stress- und Bournout-Phänomene sowie durch verschiedenste Arten der „Entfremdung“ gekennzeichnet ist, muss das Projektseminar auch diesen größeren gesellschaftlichen Rahmen zeitdiagnostisch in den Blick nehmen. So erst wird verständlich, dass der wachsende „Megatrend“ der Achtsamkeit stets auch als Gegenreaktion auf vielfältige Negativerfahrungen der Unachtsamkeit und gesellschaftlichen Entfremdung zu verstehen ist.
Für den ASH-Studiengang Soziale Arbeit ist der Themenkomplex von vierfacher Bedeutung: (1) Der Hochschulalltag selbst steht heute unter einem teilweise erheblichen zeitlichen, bürokratischen, ökonomischen und biografischen Druck; (2) Sofern es an der ASH um die Soziale Arbeit geht, hat das entsprechende Berufsfeld mit vielfältigen Problemlagen auf Seiten ihrer Klientel zu tun, die stets auch als Probleme einer individuellen und gesellschaftlichen Entfremdung gedeutet werden können; (3) Daraus ergibt sich unmittelbar die Forderung an die Soziale Arbeit, den Problem- und Entfremdungslagen ihrer Klientel entsprechend auch auf professioneller Seite mit gesteigerter Achtsamkeit zu begegnen; (4) Aber auch die Soziale Arbeit selbst steht heute unter vielfältigem Druck, sodass die beruflich dort Tätigen entsprechend auch die Achtsamkeit gegenüber sich selbst lernen müssen. In all diesen Hinsichten stellt die Beschäftigung mit den ethischen, psychologischen, soziologischen und sozialphilosophischen Aspekten von Achtsamkeit und Entfremdung einen Beitrag zur grundlegenden Stabilisierung professioneller Identität dar: Die jeweils eigene Achtsamkeit mag am Ende sogar eine notwendige Voraussetzung für die unterstützende Stärkung der Achtsamkeit und Nicht-Entfremdung anderer Menschen sein.
Das Projektseminar geht ins 3. Semester. Ein Um- bzw. Einstieg ist nach Absprache mit den Dozenten (noch) möglich. In diesem Semester wird der thematische Schwerpunkt auf Theorien der „Entfremdung“ liegen. Insgesamt soll es im Projektseminar um einen ausgewogenen Mix aus Textlektüren, Diskussionen, Vorträgen der Dozenten, studentischen Präsentationen und Gruppenarbeiten, Film- und Romaninterpretationen, Exkursionen, praktischen Trainingseinheiten sowie Begleitungen von Praktika und Abschlussarbeiten gehen. Die jeweils konkreten Planungen werden maßgeblich von den Studierenden mitbestimmt. |