Kommentar |
Gruppe 5
Die Erschütterung über die schwerwiegenden Auswirkungen früher Verletzungen an Kindern, insbesondere (sexualisierter) Gewalt, führt häufig zu einer Zentrierung auf die dadurch entstehenden Schäden und Verletzungen. Dabei wird nicht selten übersehen, dass traumatisierte Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit ihrem Leben auch weiterhin zurechtkommen müssen und, dass dies vielen unter großen Leistungen und Anstrengungen auch gelingt. Richtet man den Fokus der Aufmerksamkeit daher allein auf die Symptomatik, so reduziert man die Betroffenen auf die traumatische Erfahrung und ignoriert ihre Überlebenskraft. Vor allem aber erschwert diese pathogenetische Sichtweise, psychosoziale salutogenetische und resiliente Strategien aufzufinden, die eine positive Verarbeitung unterstützen. Im vorliegenden Wahlfach sollen sexualisierte Gewalt und Kinderschutz dagegen unter einer ganzheitlichen, biopsychosozialen Perspektive beleuchtet werden und das Erfahrungswissen Betroffener einen besonderen Stellenwert erhalten.
Zentrale Fragestellungen werden sein: Was ist ein Trauma? Wie entsteht ein Trauma, und welche Bedeutung haben Bindungsstrukturen hierbei? Welche Belastungsfelder (Tod, Trauer, Verlust, Gewalt, Unfälle, Katastrophen, Krieg, Flucht/Vertreibung etc.) gibt es im Überblick und was macht (sexualisierte) Gewalt im Besonderen aus? Welche verschiedenen Traumaformen gibt es, und wie kann man mit der Diagnose kritisch umgehen? Wie geschieht Traumabewältigung über den Lebensverlauf? Wie kann einem Trauma über den Lebensverlauf hinweg interventiv entgegengewirkt werden? Welche Präventionsmöglichkeiten gibt es? Welche Rolle spielt Kinderschutz hierbei? Wie kann sexualisierte Gewalt individuell, institutionell und gesellschaftlich aufgearbeitet werden? Was erwarten Betroffene vom Versorgungssystem, von Institutionen und von der Gesellschaft? Wie kann eine transgenerationale Weitergabe abgemildert werden? Welche Aufgaben zum Schutz von Kindern und Jugendlichen hat die öffentlich verantwortete Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere das Jugendamt? Wie können Kindeswohlgefährdungen erkannt und wie kann rechtzeitig geholfen werden? Wie kann sozialpädagogisch mit sog. Systemsprenger*innen gearbeitet werden? Wie kann auf herausforderndes Verhalten von Kindern und Jugendlichen sozialpädagogisch reagiert werden?
Das vorgeschlagene Wahlfach soll in die Soziale Arbeit mit dem Problembereich Kinderschutz/frühe Gewalterfahrung einführen. Ziel ist der Erwerb der Fähigkeit zum Umgang mit (sexualisierter) Gewalt in verschiedenen Situationen der Sozialen Arbeit – auch in krisenhaften Situationen – im Sinne einer geplanten, zielgerichteten, theoriegeleiteten und methodenbewussten psychosozialen Arbeit, die das Erfahrungswissen Betroffener angemessen jedoch wertschätzt und berücksichtigt. Neben Wissen und Können ist dafür eine professionelle und auf Partizipation ausgerichtete Haltung die dritte unverzichtbare Kompetenz. Abschließend betrachtet soll den Studierenden ein fundiertes Wissen über Vorgehensweisen psychosozialer Intervention und Hilfe bei psychosozialen (traumatischen) Belastungen vermittelt werden – jedoch verbunden mit klinischen und nichtklinischen Kenntnissen über Kontexte und Bedingungen, unter denen belastende Lebensereignisse auftreten. Es sollen Bezüge zum Hilfesystem und konkretem Leistungsanspruch hergestellt werden.
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