Am 28.08.2024 statteten die Berliner Staatssekretärin für Gesundheit und Pflege Ellen Haußdörfer und der Marzahn-Hellersdorfer Bezirksstadtrat für Jugend, Familie und Gesundheit Gordon Lemm der ASH Berlin einen Besuch ab. Besonderes Interesse bestand daran, die innovativen Lehrmethoden in den Simulations- und Skills-Labs des Pflegestudiengangs der Hochschule kennenzulernen. Prof. Dr. Katja Boguth, Leitung des Pflegestudiengangs, Prof. Dr. Uwe Bettig, Dekan des Fachbereiches Gesundheit, Erziehung und Bildung, Theresa Forbrig, wissenschaftliche Mitarbeiterin sowie Pflegestudierende leiteten durch den Tag.
Ellen Haußdörfer unterstrich die Wichtigkeit des Praxisbezugs: „Nichts trainiert besser für die Praxis als die Praxis.“ Realistische Settings seien eine sehr wertvolle Vorbereitung für zukünftige Positionen und spielen somit auch eine große Rolle im Rahmen der Fachkräftediskussion. „Ich habe die innere Hoffnung und Prognose, dass solche praktischen Ansatzpunkte zeigen, wie man sich später lange an der Stelle wohlfühlen kann.“
Bezugnehmend auf den Fachkräftemangel machte Haußdörfer zudem darauf aufmerksam, dass auch in Gesundheitsberufen ein Trend zu Teilzeit erkennbar sei: „Das bedeutet, dass wir unsere Ausbildungskapazitäten ausweiten müssen, um die gleiche Leistung zu erbringen wie früher. Dabei ist es wichtig, Synergien zu nutzen.“
Perspektiven der akademischen Pflegeausbildung
Das Treffen wurde zudem genutzt, um die Entwicklung und Perspektiven des Pflegestudiengangs zu diskutieren. Seit Inkrafttreten des Pflegestudiumstärkungsgesetzes am 1.1.2024 erhalten die Studierenden während der Dauer des gesamten Studiums eine monatliche Vergütung, die sich an jener der beruflichen Ausbildung orientiert. Laut Katja Boguth hat sich die Zahl der Anmeldungen seitdem mehr als verdoppelt. „Eine wichtige Herausforderung bleibt jedoch“, so Boguth. „Akademisierte Pflegefachpersonen sind in Deutschland einfach noch eine unbekannte Form, ein Beruf, den es so noch gar nicht gibt. Hier ist auch die Politik gefragt, in der Gesetzgebung die akademische Pflege mitzudenken, sodass z.B. Einrichtungen diese Rollen dann definieren können.“
Theresa Forbrig erläutert die Kompetenzen, die akademisierten Pflegekräfte mitbringen: „Kritisches Denken, klinische Entscheidungsfindung, Problemlösefähigkeiten – in den einzelnen Bereichen zu sehen: Wo sind hier Weiterentwicklungsbedarfe? Was muss verändert werden? Und sind diese pflegerischen Interventionen evidenzbasiert? Welchen Nutzen bringen die für unseren Bereich?“ Forbrig betonte außerdem, dass die Kompetenz, Studien zu recherchieren und aufzubereiten, stark dazu beiträgt, die Qualität von Pflege und Betreuung zu verbessern. Akademisierte Pflegefachpersonen verankern diese Art der Qualitätsentwicklung in der Praxis und nicht erst auf der Führungsebene oder im Qualitätsmanagement. „Zahlreiche Studien belegen, dass der Outcome, der Nutzen für die Patient_innen, nach wie vor viel besser ist“, fügt Uwe Bettig hinzu.
Perspektivisch plant die Hochschule, auch ihr Weiterbildungsangebot im Bereich der Pflege und Gesundheit auszubauen. Beispielsweise im Bereich der Schulgesundheitspflege, für die es in Berlin derzeit keinen Ausbildungsort gibt. Auch Programme im Bereich des Community Health Nursing sind denkbar, um die pflegerische Versorgung in Kommunen und Gemeinden zu stärken. Hier käme der Bezirk Marzahn-Hellersdorf als potenzieller Praxis-Operationspartner infrage; auch die Einrichtung von Gesundheitskiosken sei denkbar. Haußdörfer betont: „Wir als Land Berlin haben eindeutig erklärt, dass wir Gesundheitskioske brauchen.“
Der Fachbereich Gesundheit, Erziehung und Bildung – und der Transfer in den Bezirk Marzahn-Hellersdorf
„Unsere größte Wirkung im Bezirk sind natürlich die Fachkräfte – im Unfallkrankenhaus Berlin (UKB) beispielsweise trifft man sehr häufig Studierende der Hochschule“, so Uwe Bettig. „Wir kooperieren zudem mit dem Marzahn-Hellersdorfer Wirtschaftskreis, beispielsweise derzeit zum Thema Versorgungssicherheit trotz veränderter Arbeitsgewohnheiten.“ Die Sicherstellung der Versorgung bliebe generell von zentraler Bedeutung, insbesondere angesichts der wachsenden Pflegebedürftigkeit durch die alternde Bevölkerung. Berlin sei hier besonders betroffen, da die Zahl der Ein-Personen-Haushalte in der Stadt überdurchschnittlich hoch ist. Dazu Bettig: „Es besteht ein dringender Bedarf an neuen Versorgungsformen, die aktuell gesetzlich noch nicht ausreichend abgebildet sind. Unsere Hochschule trägt dazu bei, indem sie beratend unterstützt, bereits in frühen Phasen des Gesetzgebungsprozesses neue Lösungen zu entwickeln.“
Wichtig sei auch das Gründer*innenzentrum, gefördert durch das EXIST-Programm des BMWK und derzeit ansässig auf dem UKB-Campus. Das Zentrum legt einen besonderen Schwerpunkt auf Gründungen durch Frauen. Uwe Bettig: „Hier entstehen sehr spannende Sachen, z.B. Projekte zu gender-sensitiver Pflege oder die Gründung eines ambulanten Pflegedienstes für russischsprachige Menschen. Da zeigen sich Lücken im Gesundheitswesen, auf die erst einmal kommen muss – und dann schöne Erfolge.“ Da die Förderung am Ende des Jahres ausläuft suche man derzeit nach Möglichkeiten der Unterstützung, zum Beispiel durch den Bezirk oder das Land.
Erörtert wurden zudem die gesundheitspolitischen Herausforderungen des Bezirks und wie die Hochschule zur Lösung dieser beitragen kann. Lemm: „Wir haben nicht zuletzt während der Pandemie gesehen, wie wichtig dies ist, wo bestimmte Grundversorgungsaufträge nicht mehr ohne Weiteres gewährleistet werden können und dass wir da auch neue Wege gehen müssen“ Im Rahmen der Forschung könne die Hochschule viel für den Bezirk bieten, so Bettig. „Fragestellungen aus der Praxis seien in jedem Fall immer sehr willkommen – beispielsweise im Bereich der pflegerischen oder ärztlichen Infrastruktur. Gemeinsam mit unseren Praxispartner passiert auf diesem Gebiet schon sehr viel.“
Des Weiteren befürwortete Boguth die Bereitstellung von Praktikumsplätzen für Studierende im öffentlichen Gesundheitsdienst, insbesondere auf Bezirksebene. Laut Lemm könnten sich da ab nächstem Jahr Möglichkeiten eröffnen.
Der Besuch der Staatssekretärin für Gesundheit und Pflege, Ellen Haußdörfer, und des Bezirksstadtrats Gordon Lemm an der ASH Berlin verdeutlichte die Bedeutung praxisnaher Ausbildung für die Pflegeberufe. Die Diskussionen betonten, wie wichtig es ist, die akademische Ausbildung an die realen Bedürfnisse des Gesundheitswesens anzupassen und gleichzeitig politische Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Einsatz dieser Fachkräfte unterstützen. Die enge Zusammenarbeit zwischen Bildungseinrichtungen, Praxispartnern und politischen Entscheidungsträgern wird eine wesentliche Rolle dabei spielen, die gesundheitliche Versorgung langfristig zu sichern und den Herausforderungen des demografischen Wandels gerecht zu werden.