Der Kampf der Frauenforschung, dem Vorläufer der heutigen Gender Studies, um Anerkennung als akademische Disziplin ist eng verbunden mit aktivistischen Kämpfen um Gleichstellung, Chancengleichheit und Sichtbarkeit von Frauen. Ähnlich wie bei Gleichstellungsarbeit stellte sich allerdings sowohl in der Frauenforschung als auch in feministischen Bewegungen die Frage, von welchen Frauen überhaupt gesprochen wird? Wer wird damit wie positioniert, eingeschlossen oder ausgeschlossen? Erfolgt diese Positionierung selbstbestimmt? Welche Perspektiven werden gesehen und zu einer allgemeinen Norm gemacht? Welche Perspektiven werden ignoriert oder als zu fremd gezeichnet?
Die US-amerikanische Schwarze Schriftstellerin und Aktivistin Audre Lorde hat sich ausführlich mit dieser Frage beschäftigt und eine scharfe Kritik an einer weißen Frauenbewegung formuliert, die den Ausschluss Schwarzer Frauen aufzeigt und auf Differenzen innerhalb politischer Bewegungen eingeht. Lorde appelliert daran, eine gemeinsame politische Bewegung anzustreben, die intersektionale Perspektiven einschließt und wo Menschen die verinnerlichten Stereotypen und Zuschreibungen immer wieder kritisch hinterfragen.
Radikale gesellschaftliche Veränderung nur durch Analyse von Geschlecht
Gender Studies können viel dazu beitragen, Kämpfe zusammen zu denken und Überschneidungen sichtbar zu machen. Unzählige feministische Theoretiker_innen, Aktivist_innen und Autor_innen haben immer wieder darauf hingewiesen, dass radikale gesellschaftliche Veränderung – und so eine Verbesserung der Lebensumstände vieler – nur durch eine Analyse von Geschlecht im Zusammenspiel mit anderen Strukturkategorien wie Klasse, race, Alter oder Be_Hinderung möglich ist. Oder, um es in den Worten Audre Lordes zu sagen:
“There is no such thing as a single-issue struggle because we do not live single-issue lives.”
Wir leben kein auf ein Thema festgelegtes Leben, deswegen kann es auch keine Kämpfe geben, die nur auf ein Thema beschränkt sind. Denn Menschen sind nicht allein nur Frau oder Mann oder nicht-binär, sondern auch immer geprägt durch beispielsweise ihre soziale Herkunft, ihr Alter oder ihre Rassismuserfahrungen.
Sehen, wahrnehmen und Möglichkeitsräume schaffen
Was bedeutet das für institutionalisierte Gleichstellungsarbeit, wie jene des Frauen*büros der ASH Berlin? Es bedeutet, unterschiedliche Identitäten und Lebensrealitäten nicht nur zu sehen, sondern auch mit Blick auf Chancen und Hindernisse wahrzunehmen und Möglichkeitsräume zu schaffen.
Es bedeutet, die etablierte und durch das Berliner Hochschulgesetz geschützte Position der Frauen*beauftragten zu nutzen, um mehr Menschen (vor allem Frauen, nicht-binäre, trans* und inter* Personen) den Weg zu Chancengleichheit zu ebnen. Es bedeutet, eine machtkritische und diversitätssensible Organisationsentwicklung einzufordern und zu begleiten, damit gleichstellungspolitische Errungenschaften eine intersektionale Verankerung erhalten. Es bedeutet, Diskriminierung zu benennen und aktiv dagegen zu wirken, dass diese reproduziert wird. Es bedeutet, solidarisch auf der Seite jener zu stehen, die sich einen Platz am Tisch (oder an der Hochschule) erst erkämpfen mussten – und immer noch dafür kämpfen.
Der Beitrag erscheint im Rahmen der #4GenderStudies-Week. Dabei veröffentlicht die ASH Berlin eine Woche lang Beiträge auf sämtlichen Kanälen anlässlich des Wissenschaftstags #4GendersStudies – unterstützt von der Arbeitsgemeinschaft der Frauen- und Geschlechterforschungseinrichtungen Berliner Hochschulen (afg). Ziel ist es einen forschungsbasierten Einblick in Arbeiten aus dem Feld der Geschlechterforschung zu geben.
Mehr Informationen zur #4GenderStudies-Week finden Sie auf unserer Website, im Flyer unten oder überall unter dem oben genannten Hashtag.