Historische Entwicklungen und Selbstverständnisse

Der Frauen*- und Gleichstellungsrat der ASH Berlin wurde im Juni 1990 – bereits einige Monate vor dem Inkrafttreten der damaligen, frauenpolitisch bedeutsamen Novelle des Berliner Hochschulgesetzes (BerlHG) vom 26.10.1990 – erstmals als Frauenrat ins Leben gerufen. Zu dieser Zeit wurden erstmals Geschlechter- und Machtverhältnisse an Hochschulen von frauenpolitischen Bewegungen in den Blick genommen. Engagierte feministische Akteurinnen an Berliner Hochschulen und der Berliner Senat entwickelten das Konzept einer Frauenbeauftragten an Hochschulen als „Gleichstellungsstelle“. Teile hieraus fanden Niederschlag im BerlHG (Koreuber 2017, S. 10 f.). Die konkrete Ausgestaltung der gesetzlichen Vorgaben auf Landesebene oblag den Hochschulen selbst.

Dem Frauenrat der damaligen „Fachhochschule für Sozialpädagogik und Sozialarbeit“ / FHSS gehörten acht gewählte Personen aus allen Mitgliedsgruppen an. Die Frauenbeauftragte der Hochschule nahm als beratendes Mitglied an den Sitzungen teil. Beschlossen wurde der Rat im Akademischen Senat mit den „vorläufigen Regelungen zur Frauenförderung“ vom 12.12.1989 (in den Frauenförderrichtlinien heißt es: „Einstweilige Regelung zur Wahl sowie den Rechten und Pflichten der Beauftragten für Frauenfragen“). Mit diesem AS-Beschluss hat die Hochschule dem Frauenrat die Verantwortung für die Wahl der Frauenbeauftragten und für die Formulierung von „Frauenförderrichtlinien“ und „Frauenförderplan“ übertragen auf Grundlage der Festschreibung im BerlHG §5a (1990). Damit verbunden erhielt der Frauenrat ein „Antrags- und Initiativrecht in allen Fragen, die die weiblichen Hochschulmitglieder betreffen" (BerlHG §5, Satz 1). Zudem gehörte die „Offenlegung aller Probleme, aller positiven und negativen Ereignisse, die die weiblichen Hochschulmitglieder betreffen“ (FIT Nr. 2/1991, S. 2), zu den damaligen Zielen des Gremiums.

Der Frauenrat der ASH Berlin gab von 1991 – 1995 gemeinsam mit der Frauenbeauftragten die Zeitschrift „Fraueninformationen – auch für interessierte Männer“ (FIT) heraus. Sie war die Vorläuferin der Zeitschrift „QUER denken, lesen, schreiben : Gender-/Geschlechterfragen update“, die von 2000 bis Ende 2012 gemeinsam – und ab 2013 allein von der Frauenbeauftragten – herausgegeben wurde. Die umfangreichen Auseinandersetzungen, Aktivitäten, Entwicklungen und Kämpfe, das Scheitern und die Erfolge bzgl. Geschlechter- und Machtverhältnissen innerhalb und außerhalb der Hochschule werden hier ausführlich dokumentiert. Ausgangspunkt war „die Situation der Frauen, Frauenstudien und der Frauenförderung“ (FIT Nr. 1/1991, S. 4) an der Hochschule, die mittels damals vorliegender statistischer Daten und durchgeführten Umfragen erstmals erfasst und ausgewertet wurden.

Von Beginn an war das Engagement der Frauenrätinnen von einem feministischen Verständnis geprägt, das auch darauf abzielte, mehrdimensionale Diskriminierungs- und Machtverhältnissen an der Hochschule zu kritisieren und abzubauen. Die Verhinderung und der Schutz vor sexualisierter Gewalt, Ungleichbehandlung, Rassismus, und der Abbau der ungleichen Bezahlung und des ungleichen „Gehört-Werdens“ sowie die Realisierung von Chancengleichheit in der Gestaltung von Bildungsmöglichkeiten für all jene Frauen, denen der Zugang strukturell erschwert wurde, prägen die Arbeit und das Selbstverständnis des Frauen*- und Gleichstellungsrates seit über 30 Jahren. So haben Mitglieder des Frauenrates seit den Anfängen intensiv mit feministischen BIPoC-Initiativen und -Bewegungen in Berlin und darüber hinaus kooperiert und Veranstaltungen an der Hochschule organisiert (u.a. ein Vortrag + Lesung von Audre Lorde und Gloria Joseph am 23.10.1991, FIT, Nr. 2/1991, S. 4 bis hin zur Veranstaltung zur Diskriminierung von Frauen* an mexikanischen Hochschulen, 16.10.2019[1]). Antirassistische Forschungsprojekte an der Hochschule wurden vorangetrieben (z.B. das Projekt "Studienbefähigung und Studienabschlussförderung ausländischer Studierender" von May Ayim, WiSe 1993/94, FIT, Nr. 10/1994, S. 14), sich erfolgreich für die Zulassung rassismusbetroffener Studentinnen eingesetzt, diskriminierende Strukturen und Prozesse an der Hochschule öffentlich gemacht (z.B. „Sexuelle Belästigung – (k)ein Thema an der FSSH?, FIT, Nr. 3/1992, S. 23 und Kritik der „Missbrauch des Missbrauchs“-Debatte, FIT Nr. 91994) und gleichstellungs- und gerechtigkeitsorientierte Debatten und Veränderungen angestoßen. Eine Professorin und Frauenrätin leitete des Alice-Salomon-Stipendienprogramm zur Förderung von Promotionen von Frauen (1998-2015). Frauenrätinnen waren und sind aus dem Frauenrat heraus und über den Frauenrat hinaus politisch aktiv, setzten und setzen sich für Geschlechtergerechtigkeit ein.

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Unser Selbstverständnis heute

Auch heute versteht sich der Frauen*- und Gleichstellungsrat als Interessenvertretung und übernimmt nach Bedarf eine beratende Funktion innerhalb der Hochschule auf der Basis ihrer gleichstellungspolitischen und machtkritischen Expertise. Mit einem inzwischen durch queerfeministische und intersektionale Perspektiven angereicherten Selbstverständnis setzt sich der Frauen*- und Gleichstellungsrat gegen jede Form der Diskriminierung ein, die durch patriarchale Gewalt verursacht wurde. Der Frauen*- und Gleichstellungsrat versteht sich als Ansprechgruppe und parteiliche Interessensvertretung für alle Hochschulangehörigen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Position(ierung) Benachteiligung und Diskriminierung erfahren. Ebenfalls in den Blick genommen werden dabei Verschränkungen mit weiteren  Macht- und Herrschaftsverhältnissen – wie Rassismus, Antisemitismus, Heteronormativität, Klassismus und Ableismus – und deren benachteiligende Auswirkungen.

Die Fortentwicklung der Gleichstellungsarbeit an der ASH macht sich auch sprachlich bemerkbar. Besagte die Frauenförderrichtlinie von 1996 in § 6 noch, dass Frauen ausdrücklich in Formularen, Schriftstücken, Richtlinien, Ausweisen etc. der ASH Berlin zu nennen sind, so wurde 2017 vom Akademischen Senat der ASH Berlin beschlossen, in allen neuen Satzungen und Ordnungen der Hochschule den sogenannten statischen Gendergap (_) zu benutzen (z.B. Mitarbeiter_innen). Auch wird seitdem bei Begriffen wie Frauen, Männer, weiblich, männlich etc. das sogenannte Gendersternchen (*) angefügt (z.B. Frauen*).[2] Seit 2021 heißt der Frauen*rat in Anlehnung an die Novellierung des BerlHG Frauen*- und Gleichstellungsrat.

Damals wie heute arbeiten Frauen* aller Hochschulmitgliedsgruppen (Professor_innen, Akademische Mitarbeiter_innen, Mitarbeiter_innen in Technik, Service und Verwaltung, Student_innen) im Frauen*- und Gleichstellungsrat auf Augenhöhe zusammen. Die selbstkritische Verständigung über das eigene Profil und die Art und Weise der Arbeit sowie Kooperationsweisen ist ein kontinuierlicher Bestandteil der Arbeit des Frauen*- und Gleichstellungsrates und der Gleichstellungsarbeit an der ASH Berlin insgesamt (vgl. Erklärung der Frauen*beauftragten: „Die Crux mit dem Sternchen“ (2021)).

Infolge der Gründung zweier Fachbereiche an der ASH Berlin hat auch der Frauen*- und Gleichstellungsrat zusätzliche dezentrale Strukturen entwickelt. Seit 2022 werden neben dem zentralen Frauen*- und Gleichstellungsrat in FB 1 und FB 2 jeweils ein dezentraler Frauen*- und Gleichstellungsrat gewählt, in dem alle Hochschulmitgliedsgruppen vertreten sind. Damit wird auch die kundige Bearbeitung fachspezifischer Gleichstellungsbelange sichergestellt und dem stetigen Wachstum und den damit verbundenen zunehmenden und sich ausdifferenzierenden Aufgaben an der Hochschule Rechnung getragen.

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Rechtliche Grundlagen und Aufgaben

Die Zusammensetzung, Wahl und Aufgaben der zentralen und dezentralen Frauen*- und Gleichstellungsräte ergeben sich aus der Grundordnung der ASH Berlin (§ 21, Fassung vom 25. Juni 2021). Zudem sind das BerlHG (§ 59, Fassung vom 26. Juli 2011, Änderung vom 11. Juli 2023), die Wahlordnung der ASH Berlin (§ 24, Amtliches Mitteilungsblatt 14/2021, 09. 06.2021) und die Geschäftsordnung des Frauen*rates (Amtliches Mitteilungsblatt 03/2019, 22.01.2019) für ihn handlungsleitend.

Dem zentralen Frauen*- und Gleichstellungsrat gehören jeweils zwei Vertreterinnen* aller Mitgliedergruppen an. Den dezentralen Frauen*- und Gleichstellungsräten gehören jeweils eine Vertreterin* aller Mitgliedergruppen an. Sie werden jeweils von den Mitgliedern der Hochschule, die sich selbst als weiblich definieren, zeitgleich mit dem Akademischen Senat bzw. den Fachbereichsräten gewählt. Die Mitglieder des zentralen und der dezentralen Frauen*- und Gleichstellungsräte sowie ihre Stellvertreterinnen* werden für zwei Jahre, die studentischen Vertreterinnen* für ein Jahr gewählt.

Die zentralen und dezentralen Frauen*- und Gleichstellungsrät*innen verantworten die Wahlen der zentralen und dezentralen Frauen*- und Gleichstellungsbeauftragten. Sie beraten die Frauen*- und Gleichstellungsbeauftragten auf Hochschule- und Fachbereichsebene, arbeiten eng mit ihren Teams zusammen und unterstützen sie bei ihren Aufgaben. Dazu zählen u.a. die kritische Beobachtung und Begleitung gleichstellungsrelevanter, hochschulpolitischer Prozesse (z.B. Entwicklung und Anpassung der Grundordnung, Gleichstellungskonzept, Antidiskriminierungssatzung und deren jeweilige Umsetzung) und hochschulweite Information und Aufklärung über intersektionale, feministische und queere Themen, die die Hochschulmitglieder unmittelbar betreffen (z.B. Entgeltgerechtigkeit unter den Hochschulmitgliedern). Zudem stellen die Frauen*- und Gleichstellungsrät*innen Bedarfe der Hochschulgleichstellungsarbeit fest, sind für solche Anliegen ansprechbar und stoßen Initiativen an. Sie nehmen jedoch keine operativen Aufgaben wie Beratungstätigkeiten, Begleitung von Berufungskommissionen etc. wahr; diese obliegen allein den zentralen und dezentralen Frauen*- und Gleichstellungsbeauftragten.

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Kooperationen

Die Umstrukturierungen im Zuge des Organisationsentwicklungsprozesses der ASH Berlin haben zum Aufbau des Arbeitsbereichs Intersektionale Praxis und Transformation (InPuT) geführt. Mit dem Team des Arbeitsbereichs vernetzen sich die Frauen*- und Gleichstellungsrät*innen und kooperieren zu aktuellen Themen (wie z.B. Antidiskriminierungssatzung, Novellierung der Grundordnung, Diversitätsorientierte Organisationsentwicklung, Hochschultage etc.). Des Weiteren werden Vernetzungen mit anderen Interessenvertretungen und Gremien der Hochschule aufrechterhalten:

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[1]Siehe https://www.ash-berlin.eu/hochschule/presse-und-newsroom/veranstaltungen/die-diskriminierung-von-frauen-an-mexikanischen-hochschulen-vortrag-und-diskussion-mit-mit-charly/

[2] Das Gender-Sternchen(*) dient als Verweis auf den Konstruktionscharakter von „Geschlecht“. Das Sternchen hinter „Frauen“ soll verdeutlichen, dass es sich auf alle Personen bezieht, die sich unter der Bezeichnung „Frau“ definieren, definiert werden und/oder sich sichtbar gemacht sehen. Im Hinblick auf Benachteiligung und sexistische Diskriminierung gegenüber Menschen, die sich nicht in der Norm von Zweigeschlechtlichkeit verorten können oder wollen, sieht der Frauen*- und Gleichstellungsrat hier auch seine Verantwortung gegenüber trans*, inter* und nicht-binären Menschen. Bereits die Einordnung geschlechtlicher Vielfalt unter dem Begriff „Frauen*“ ist allerdings eine Wiederholung von Ausschlüssen und kann somit nicht als Lösung, sondern nur als Prozess verstanden werden.

Stand März 2024